Reality Soap

Mit der Einführung der Reality-Formate im Nachmittagsprogramm der deutschen Privatsender hielt auch der Begriff der Reality Soap Einzug im Wortschatz der Medien. Gestützt wurde dieser Begriff, nachdem bekannt wurde, dass die vermeintlich realen Geschichten gescriptet waren und durch Laiendarsteller dargestellt wurden. Seither gibt es auch den Begriff der Scripted Reality.

Eine Reality Soap, unter Rücksicht auf die Konzeption einer Seifenoper, weist gewisse Gemeinsamkeiten mit einer klassischen Daily Soap auf.
1. tauchen immer die gleichen Charaktere in regelmäßig bespielten Settings auf, unterstützt durch einen Vorspann, der bereits einen Teil der Besetzung darstellt
2. werden in einer Zopfdramaturgie mehrere Stränge parallel erzählt
3. werden die Geschichten über mehrere Folgen fortgesetzt
Der Unterschied liegt in der Produktionsweise.

Bei Reality Soaps wird bereits bei möglichen Darstellern geschaut, was jeder einzelne an Interessen mitbringt. So wird gewährleistet, dass die Rollen auch authentisch dargestellt werden können.

Es liegen bei den Dreharbeiten keine Drehbücher mit ausformulierten Dialogen vor. Ähnlich einer Outline (Bildertreatment oder auch Storyline genannt) ist allen bekannt, wo die Szene am Ende hinführen wird. Die Dialoge entstehen aus den jeweiligen Darstellern heraus. Das ist der Grund, weswegen meistens durchgängig gedreht wird ohne Schnitte. Man hätte hier keine Möglichkeit, die Szene zu picken, also mitten in der Szene einzusteigen, da der nachfolgende Dialog plötzlich gestellt wirken könnte. Sollte am Ende der Szene nicht genau erkennbar sein, worauf die Szene eigentlich hinaus sollte, wird das Stilmittel des Voice Overs oder eine Interview-Sequenz eingebaut, die eigens dafür geschrieben wird.

Reality Soaps sind günstiger in der Produktion, da bereits an der Vorproduktion, den Darstellern und dem Team gespart wird. Gedreht wird nicht in Studios, sondern on Location. Dadurch wird das Gefühl der Authentizität gestärkt.

Unterstützt wird dieses Gefühl durch eine starke Anbindung an die Zuschauer via Social Media. Spontane Videos oder Bilder, die aus der Sicht einer der Figuren gepostet werden, geben dem User das Gefühl, dass er direkt mit der Figur agieren kann. Die Kernzielgruppe sind die jungen Zuschauer zwischen 14 und 29 Jahre.

Rückblickend war die ProSieben-Produktion „Abschlussklasse“ (2003 bis 2006), die 2003 noch als vermeintlich reale Serie bei „Arabella“ gestartet war, die erste Reality Soap. Es folgte das Spin-Off „Freunde“ (2003 bis 2006). RTL2 brachte mit „Berlin – Tag & Nacht“ (seit 2011) eine ganze Franchise auf den Markt. 2013 folgte „Köln 50667“, 2015 der Primetime-Ableger „Meike und Marcel – Weil ich dich liebe“. Für 2016 ist ein erneuter Ausflug in die Primetime geplant. Filmpool konnte die Rechte an „Berlin – Tag & Nacht“ mehrfach ins Ausland verkaufen.

Sat.1 versuchte sich 2013 an „Patchwork Family“, das gescripteter war als die RTL2-Formate. Dies war der Grund, weswegen die Sendung bereits nach 58 Folgen vorzeitig beendet wurde. Im selben Jahr überraschte Sport1 mit der Reality Soap „Wild Wanna Bees“. RTL versuchte 2014, nach über einem Jahr Vorbereitung, sein Glück mit „Berlin Models“, beendete aber die Produktion nach nur 75 Folgen.

Der überraschende und vor allem nachhaltige Erfolg der RTL2-Soaps hatte Einfluss auf die Optik und die Geschichten deutscher Daily Soaps. Während zuvor Tattoos und markante Darsteller und Charaktere eher in Form von Gastrollen zu sehen waren, tauchten diese fortan immer häufiger auf.